Abschnitt aus dem Buch: Lösungsansätze für Berg-Karabach / Arzach, Selbstbestimmung und der Weg zur Anerkennung, Nomos 2010, Vahram Soghomonyan (Hrsg.)
5. Periodische Initiativen zur Vereinigung Berg-Karabachs mit Sowjet-Armenien
Die stalinistische Evolution der Sowjetunion zu einem totalitären, extrem zentralistischen Einheitsstaat, welcher dem Selbstbestimmungsrecht der Völker die Substanz raubte und den „Sowjetföderalismus“ für Jahrzehnte in eine Propagandafassade verwandelte[1], machte, rückblickend betrachtet, Initiativen zur Korrektur der Karabach-Entscheidung von 1921 aussichtslos. Die sich für die Vereinigung der armenischen Sowjetrepublik einsetzenden Personen gingen ein hohes Risiko politischer Verfolgung ein[2]. Gleichwohl hat es immer wieder, und zwar fast periodisch, Initiativen des Widerstandes, teils aus der Republik Armenien, teils aus Berg-Karabach gegeben. Thomas de Waal[3] hat in ihnen zutreffend ein Muster erkannt: sie fielen regelmäßig mit innen- und außenpolitischen Zäsuren oder Wendepunkten in der Sowjetepoche zusammen, also mit Phasen politischer Bewegung und Öffnung, als wenigstens eine kleine Chance zu bestehen schien, mit seinem nationalen Anliegen bei der allmächtigen Partei- und Staatsführung in Moskau gehört zu werden: 1945, 1956; 1965; 1977; 1986[4]. Die Armenier standen damit keineswegs allein. Die Abchazen etwa verhielten sich nicht anders[5]. Da der sprichwörtliche Schlüssel zur Lösung der Konflikte in Moskau lag, entsprach das Verhalten völlig der Struktur des Sowjetsystems.
Als Stalin auf den alliierten Konferenzen von 1945 den (vergeblichen) Versuch machte, die Abtretung des Gebiets Kars von der Türkei an die UdSSR zu erreichen, und die UdSSR sich intensiv um eine „Repatriierung“ der Diaspora-Armenier in die Sowjetunion bemühte, wagte es der 1. Sekretär des ZK der KP Armeniens, Grigorij Arjutunov, „ausgehend von dem Wunsch der Bevölkerung Berg Karabachs“ und unter Berufung auf das Zentralkomitee und den Sovnarkom (Regierung) Armeniens, Moskau erneut die Frage der Eingliederung Berg-Karabachs in die Sowjetrepublik Armenien vorzulegen[6]. Stalin leitete die Eingabe an den Parteichef Aserbaidschans, M. D. Bagirov, mit der Bitte um Stellungnahme weiter. Dieser war zwar einverstanden, aber nur unter der Bedingung, dass Stadt und Rayon Schuscha bei Aserbaidschan blieben und Armenien drei Rayons abtrete, zwei zwischen Erewan und Nachitschewan gelegene und ein sich zwischen den aserbaidschanischen Regionen Nachitschewan und Kelbadschar erstreckender Rayon. Hätte man sich darauf geeinigt, wäre nun umgekehrt Sjunik eine armenische Exklave in Aserbaidschan geworden. Arjutunovs Initiative war damit gescheitert[7].
Als nach Stalins Tod die brutale Unterdrückung des Sowjetregimes nachließ und infolgedessen auch die Furcht vor Verfolgungen etwas zurückging, haben sich die Eingaben an die zentrale Partei- und Staatsführung gehäuft, Berg-Karabach der Sowjetrepublik Armenien anzugliedern. Der Katholikos der Armenischen Apostolischen Kirche, Vazgen I., nutzte Nikita Chuschtschows Abrechnung mit Stalin auf dem XX. Parteitag und die dadurch ausgelöste breite politische Diskussion über die Stalin-Ära. Er wandte sich am 12. Mai 1956 mit zwei Eingaben an den Vorsitzenden des Ministerrats der UdSSR, Nikolaj Bulganin, in welchen er – unter Berufung auf entsprechende Hoffnungen der armenischen Diaspora und auf die Politik der Repatriierung in der Nachkriegszeit – für den Anschluss Berg-Karabachs an die Sowjetrepublik Armenien eintrat[8]. Seine Eingabe war nur die sprichwörtliche Spitze des Eisberges. In den innenpolitisch sehr bewegten Jahren der „Entstalinisierung“ wurde die Karabach-Frage auch von vielen weniger prominenten Personen aufgeworfen[9]. Insbesondere die Rehabilitierung vieler während der Stalin-Ära kollektiv bestrafter und nach Mittelasien deportierter Völker mitsamt der ihnen (teilweise) erteilten Erlaubnis, an ihre angestammten Wohnsitze zurückzukehren, hatte das über diesen Fragen lange schwebende öffentliche Tabu aufgeweicht[10]. Gasanly resümiert seine Studie zur nationalen Frage im Aserbaidschan jener Jahre treffend[11]: „In den transkaukasischen Republiken hatte die Diskussion des Rechenschaftsberichts Chruschtschows [gemeint ist seine „Geheimrede“ auf dem XX. Parteitag – O. L.] jeweils einen eigenen Charakter. Während in Georgien die Diskussionen von nervösen Straßendemonstrationen und Kundgebungen begleitet waren, zog man es in Aserbaidschan vor, am Vorabend des Prozesses gegen M. D. Bagirov Vorsicht an den Tag zu legen und sich nicht ernster mit der Frage zu beschäftigen. In Armenien dagegen versuchte man, mit dem Personenkult Stalins alle Misserfolge der Armenier und die Unentschiedenheit der territorialen Ansprüche in Bezug auf Berg-Karabach, Nachitschewan und Dschawachetien zu verknüpfen.“
Es wäre der Partei- und Staatsführung nach Stalins Tod und während der Abrechnung mit seiner Politik leicht möglich gewesen, die Fehlentscheidung vom Juli 1921 zu korrigieren. Sie hätte durchaus die Macht dazu gehabt, denn sie hatte damals keine Bedenken, mit leichter Hand autonome Republiken in eine andere Unionsrepublik einzugliedern und eine Unionsrepublik überhaupt aufzulösen: so hat sie aus Anlass der 300-Jahrfeier der Vereinigung Russlands mit der Ukraine am 19. Februar 1954 entschieden, die Autonome Republik Krim aus der RSFSR auszugliedern und in die Unionsrepublik Ukraine einzugliedern, sowie – umgekehrt — am 16. Juli 1956, die Karelo-Finnische Unionsrepublik aufzulösen und als Karelo-Finnische Autonome Republik in die RSFSR einzufügen[12].
Bedingt durch die nachlassende Unterdrückung kam es gegen Ende der Ära Chruschtschow erstmals zu einer Massenpetition: etwa 2.500 Armenier sowohl aus dem Autonomen Gebiet Karabach als auch aus dessen nördlich angrenzenden Rayons sandten sie 1963 an die Partei- und Staatsführung[13]. Die Autoren legten in einem langen Katalog dar, durch welche Maßnahmen und wie weitreichend Parteiführung und Regierung der Republik Aserbaidschan die administrativen Kompetenzen Karabachs auf aserbaidschanische Behörden außerhalb des Gebiets verlagert (Agdam usw.) und die „Autonomie“ insgesamt ihres Sinnes und Inhalts beraubt hatten.
Schon 1965, es war das Jahr nach Chruschtschows Sturz, folgte eine weitere, inhaltsgleiche Petition, die von 45.000 (!) Karabach-Armeniern unterschrieben wurde[14]. Die ungewöhnlich hohe Unterstützung war kein Zufall, denn 1965 war das Jahr, in welchem der Völkermord an den Armeniern just 50 Jahre zurücklag und die Moskauer Führung die Erlaubnis zum Bau des Genozid-Denkmals in Erewan gab, die Sowjetunion den Völkermord anerkannte und mit Anastas Mikojan erstmals ein Armenier die Funktionen des Staatsoberhaupts der UdSSR ausübte.
Die von der Partei- und Staatsführung der Union propagierte (und gesteuerte) allgemeine „Volksdiskussion“ des Entwurfs einer neuen Unionsverfassung lieferte im Sommer 1977 den nächsten großen Anlass, die Forderung der Vereinigung Karabachs mit Armenien zu erheben[15].
Inzwischen hatten sich der Karabach-Frage zusammen mit anderen ungelösten Nationalitäten-Problemen (Krimtataren usw.) die sowjetische Bürgerrechtsbewegung und namentlich Andrej Sacharow angenommen und stellten die Forderung nach Selbstbestimmung in den politischen Gesamtzusammenhang einer demokratischen, rechtsstaatlichen Reform der Sowjetunion[16].
Diese Entwicklung sollte zur Ära der Perestrojka überleiten. Kaum nämlich, dass die sowjetische Partei- und Staatsführung auf Initiative Michail Gorbatschows die Reform des Sowjetsystems unter den Parolen von „glasnost´“ (Öffentlichkeit) und „demokratizacija“ (Demokratisierung) eingeleitet hatte, forderten die Karabach-Armenier 1986/ 87 das Selbstbestimmungsrecht mit einer nie zuvor gekannten Kraft und Breite ein. Jetzt offiziell ausdrücklich ermutigt, sich öffentlich zu engagieren, Missstände aufzudecken und Verbesserungsvorschläge zu machen, legten die Bürger Karabachs ihre Furcht vor Repressionen des Regimes endgültig ab und verlangten erneut von der Unionsführung, ihren Wunsch nach Vereinigung Berg Karabachs mit der Sowjetrepublik Armenien zu erfüllen. Weit über 75.000 Armenier des Autonomen Gebiets, d. h. fast alle Erwachsenen seines armenischen Bevölkerungsteils, unterschrieben in einem Monate dauernden Prozess die betreffende Petition, die im August 1987 Michail Gorbatschow in seiner Eigenschaft als Generalsekretär der KPdSU übergeben wurde[17]. Damit hatte sich die erdrückende Mehrheit der wahl- und abstimmungsberechtigten Bürger Berg-Karabachs für die Vereinigung mit Armenien ausgesprochen, sodass der Vorgang de facto einem Gebietsreferendum nahe kam. Es war eine eindrucksvolle Bekundung des Willens zur nationalen Selbstbestimmung[18].
Obwohl die Petition durch Art. 49 der UdSSR-Verfassung gedeckt und durch die Perestrojka-Programmatik zusätzlich politisch legitimiert war und dem Eingabengesetz zufolge zügig hätte beantwortet werden müssen, reagierte das ZK der KPdSU erst nach langem Schweigen. Seine in der Form kränkende, in der Sache schroffe Ablehnung des Begehrens der Petenten hat jene Kette von Aktionen und Gegenaktionen in Gang gesetzt, die bis heute nicht abgerissen ist und die Gefahr eines weiteren Krieges in sich trägt. Die „Karabach-Frage“ hat sich als einer der am schwierigsten, wenn nicht der am schwierigsten zu lösende Konflikt im postsowjetischen Raum erwiesen.
6. Berg-Karabachs Ablösung von Sowjet-Aserbaidschan während der Perestrojka
Die Armenier des Autonomen Gebiets Berg-Karabach haben nicht nur durch Petitionen ihren Wunsch nach nationaler Selbstbestimmung bekundet, sondern seit 1988 auch durch förmliche Beschlüsse. Sie kamen in rechtlich geregelten Verfahren zustande und mündeten in eindeutigen und überzeugenden Ergebnissen[19].
Am Anfang steht der Beschluss des Gebietsparlaments („Sowjet“), der am 20. Februar 1988 auf einer Sondersitzung gefasst wurde. Von seinen 140 Abgeordneten stimmten 110 bei 17 Gegenstimmen und 13 Enthaltungen dafür, die Obersten Sowjets der Unionsrepubliken Aserbaidschan und Armenien darum zu bitten, das Gebiet von Berg-Karabach Armenien anzugliedern. Nach Art. 78 der UdSSR-Verfassung lag es in deren Kompetenz, die Frage – so der so – zu entscheiden. Ihre Entscheidung bedurfte der Bestätigung der Union. Das Abstimmungsergebnis spiegelte exakt das ethnische Kräfteverhältnis zwischen Armeniern und Azeris im Autonomen Gebiet wider.
Die Sondersitzung war einberufen worden, nachdem eine Woche zuvor in allen Rayons Karabachs Bürgerversammlungen stattgefunden hatten, auf denen die harsche Antwort aus Moskau diskutiert worden war und 87 Abgeordnete des Gebietssowjets sich hinter die Forderungen der Bürger gestellt hatten.
Nach den damals maßgebenden ideologisch-politischen Prinzipien war aber eine andere Tatsache eher noch bedeutsamer als der Beschluss des Gebietssowjets, nämlich dass nur einen Tag später, am 21. Februar 1988, das KP-Gebietskomitee (Obkom NKAO) den Beschluss mit 80:10 Stimmen unterstützte. Das geschah, obwohl die Sitzung unter den Augen zweier aus Moskau herbeigeeilter Spitzenfunktionäre des Politbüros der KPdSU und des stellvertretenden KGB-Vorsitzenden, Filipp Denisovič Bobkov, stattfand. Bobkov, seit 1945 (!) in den „Organen“ tätig, war seit der Chruschtschow-Ära einer der Hauptverantwortlichen für die Bekämpfung politischer Gegner und bis 1983 Chef der berüchtigten Fünften Hauptverwaltung des KGB gewesen[20].
Am 17. März 1988 bekräftigte das Obkom seinen Beschluss trotz massiver Pressionen der republikanischen KP-Führung: Die „Perestrojka“ tat ihre Wirkung. Die Abgeordneten ließen sich nicht mehr „von oben“ einschüchtern, sondern folgten – erstmals – dem demokratischen Druck einer bis dahin entmündigten Bürgerschaft.
Die Obersten Sowjets beider Republiken entschieden kurz hintereinander: Der Oberste Sowjet Armeniens stimmte unter Berufung auf das in Art. 70 der UdSSR-Verfassung verankerte „Recht der freien Selbstbestimmung der Nationen“ dem Antrag Berg-Karabachs am 15. Juni 1988 erwartungsgemäß zu. Der Oberste Sowjet Aserbaidschans dagegen lehnte am 17. Juni 1988 die Entlassung Berg-Karabachs aus der Republik einstimmig ab[21]. Der Gebietssowjet bekräftigte am 21. Juni 1988, unbeeindruckt von der Anwesenheit des aserbaidschanischen Parlamentspräsidenten, seinen historischen Beschluss vom 20. Februar.
Auf Antrag der Republik Armeniens, sich mit der Frage zu befassen, stellte der Oberste Sowjet der UdSSR am 18. Juli 1988 fest, dass der Beschluss Berg-Karabachs keinen Erfolg haben könne, weil es an dem notwendigen Einverständnis Aserbaidschans fehle[22]. Zugleich räumte er ein, dass lange Zeit hindurch „die nationalen Interessen der armenischen Bevölkerung in den Sphären der Kultur, der Bildung und der Kaderpolitik vernachlässigt“ und „die verfassungsmäßigen Rechte des Autonomen Gebiets verletzt worden“ seien. Im Übrigen ermahnte er alle Seiten, sich „im Geiste der brüderlichen Freundschaft und Zusammenarbeit“ zu begegnen, und setzte weiter darauf, den Konflikt durch die Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen der Bevölkerung Berg-Karabachs zu entschärfen.
Auch in den folgenden Jahren hielt der Oberste Sowjet der UdSSR an dem Grundsatz fest, „dass die Lösung des Problems von Berg-Karabach nur auf der Grundlage des politischen Dialogs und von Vereinbarungen zwischen den Vertretern der aserbaidschanischen und armenischen Bevölkerung möglich sei“[23].
Die sich in dem Konflikt 1988 zwischen den verfeindeten Ethnien allmählich aufschaukelnde Gewalt zwang die Union im Herbst 1988 jedoch, sich unmittelbar einzuschalten. Am 12. Januar 1989 suspendierte sie die Gebietsorgane, entzog Aserbaidschan die Kontrolle über das Gebiet, unterstellte es unmittelbar der Union und führte eine „Sonderverwaltung“ ein. Sie wurde von einem „Komitee“ ausgeführt, dem Sondereinheiten des Innenministeriums der UdSSR und weitere Sicherheitskräfte unterstellt wurden[24].
Eine Lösung brachte die Maßnahme nicht. Vielmehr bildete sich 1989 in Berg-Karabach eine Art Doppelherrschaft heraus. Am 12. Juli 1988 hatte der Gebietssowjet die Konsequenzen aus der Ablehnung seines Antrages vom Februar durch Aserbaidschan gezogen und mit 100 von 140 Abgeordneten bei 1 Enthaltung und der Abwesenheit von 39 azerischen Abgeordneten den Anschluss an Armenien unter Beibehaltung des Autonomiestatus („Autonomes Gebiet von Arzach“) beschlossen. Nach Auflösung des Gebietssowjets durch die Union trat am 16. August 1989, ebenfalls boykottiert von den Azeris des Gebiets, ein „Kongress der bevollmächtigten Vertreter der Bevölkerung Berg-Karabachs“ zusammen. Er bildete im Rückgriff auf die Zeit von 1918 bis 1920 einen „Nationalen Rat“ mit 78 Mitgliedern und ermächtigte ihn zur Ausübung der Staatsgewalt im Autonomen Gebiet. Der Rat war kraft originärer demokratischer Selbstbestimmung eine Art Not- bzw. Vorparlament bis zur Herstellung neuer, konstitutioneller Zustände. Vergeblich drängte die Republik Armenien die Unionsführung, ihn anzuerkennen und mit ihm zusammenzuarbeiten[25].
Stattdessen hob die Union die Sonderverwaltung am 28. November 1989, offensichtlich im Vertrauen auf ein gleichzeitig beschlossenes Maßnahmenprogramm zur umfassenden Stärkung des Autonomiestatus Berg-Karabachs, wieder auf[26] und unterstellte das Gebiet wieder der Regierung in Baku.
Das Programm hätte durchaus attraktiv erscheinen können, weil es den Autonomieforderungen der Karabach-Armenier weit entgegenkam. Doch wurde es dadurch um seine erhoffte Wirkung gebracht, dass es von Aserbaidschan zusammen mit dem wiederherzustellenden Gebietssowjet Karabachs ausgeführt werden sollte. Für eine solche Kooperation fehlte es indessen an der dafür nötigen Vertrauensgrundlage zwischen den beiden Seiten. Das Programm lief der Entwicklung hinterher; es kam zu spät. Vielleicht hätte es 1987 noch eine Chance besessen. Nun aber war der Konflikt zwischen den Armeniern und Aserbaidschan schon zu weit fortgeschritten. Er hatte zu viel Hass aufgehäuft und Gewalt freigesetzt. Durch die breiten, inzwischen hunderttausende Menschen beider Volksgruppen erfassenden Flüchtlingsströme aus Aserbaidschan nach Armenien und Russland und aus Armenien nach Aserbaidschan hatte er Dimensionen angenommen, die mit einer auf Berg-Karabach beschränkten Regelung allein nicht mehr bewältigt werden konnten. Darüber hinaus hatte die seit Monaten von Aserbaidschan praktizierte Wirtschafts- und Energieblockade sowohl Berg-Karabach als auch die Republik Armenien in eine existentiell bedrohliche Lage gebracht und die verheerenden Auswirkungen des Erdbebens, das den hochindustrialisierten Norden der Republik Armenien im Dezember 1988 teilweise zerstört hatte, noch dramatisch verschärft.
Längst war schließlich im Zuge dieser Entwicklungen die „Karabach-Frage“ zu einem alles beherrschenden Thema und Instrument im Kampf um die Macht sowohl in Armenien als auch in Aserbaidschan und zu einer Überlebensfrage ihrer kommunistischen Regime geworden[27]. So fehlten auch wesentliche innenpolitische Voraussetzungen für Entspannung und Kompromiss.
Zur Wiederherstellung des Gebietssowjets Berg Karabachs kam es nicht; Baku hatte kein Interesse daran. Vielmehr überdauerte der Nationale Rat die Aufhebung der Sonderverwaltung. Am 2. September 1991 rief er die „Republik Berg-Karabach“ als Antwort auf die Unabhängigkeitserklärung Aserbaidschans (30. August) aus und setzte für den 10. Dezember darüber ein Referendum an. An ihm beteiligten sich 85% der stimmberechtigten Bürger Berg-Karabachs. 98% stimmten für die Unabhängigkeit. Am 6. Januar 1992 verabschiedete der am 28. Dezember gewählte, aus 75 Abgeordneten bestehende Oberste Sowjet als Parlament der Republik die Unabhängigkeitserklärung.
Die Kraft und Stärke des Strebens der Armenier Berg-Karabachs nach nationaler Selbstbestimmung hätten durch nichts deutlicher bewiesen werden können als eben dadurch, dass sie ihren Anspruch erstens gegen die Zentralregierung der UdSSR und die von ihr in Karabach errichtete Sonderverwaltung und zweitens gegen die Regierung Aserbaidschans durchgesetzt haben.
Der Ablauf der Ereignisse führt zu der Feststellung, dass die Bevölkerung von Berg-Karabach mit erdrückender Mehrheit, durchgängig und konstant das Selbstbestimmungsrecht der Völker für sich gefordert und es in einwandfreien demokratischen Verfahren und gewaltfrei auch ausgeübt hat. Sie forderte die Verwirklichung dieses Rechts lediglich in den Grenzen der Sowjetunion. Dazu berief sie sich auf die UdSSR-Verfassung, die das Selbstbestimmungsrecht in Art. 70 als Prinzip des Sowjetföderalismus anerkannt hatte. Die azerische Minderheit Berg-Karabachs hatte die Möglichkeit der Teilnahme an den Entscheidungen. Dass die zustimmenden und die verneinenden sowie die Wahlen und Abstimmungen boykottierenden Personengruppen so gut wie völlig mit Armeniern und Aserbaidschanern identisch waren, war unter den gegebenen Umständen nicht anders zu erwarten. Gerade dies unterstreicht aber zusätzlich die fehlende Legitimität der territorialen Eingliederung Berg-Karabachs in die Sowjetrepublik Aserbaidschan, die das aus sieben Personen bestehende Kaukasus-Büro der Russländischen Kommunistischen Partei (Bolschewiki) am 5. Juli 1921 unter dem Druck Stalins, eineinhalb Jahre vor der Gründung der Sowjetunion, beschlossen hatte.
7. Aserbaidschans Antwort in der Sprache der Gewalt. Die Pogrome von Sumgait (27. — 29. Februar 1988), von Baku (13. – 20. Januar 1990) und an weiteren Orten. Ihre Wirkungen
Die aserbaidschanische Partei- und Republikführung hat auf den Antrag des Gebietssowjets von Berg-Karabach nicht lediglich mit einem ablehnenden Beschluss reagiert, sondern mit einer von ihr zwar schon vorher initiierten, nun aber verschärften, von Hasstiraden und Gewaltandrohungen begleiteten antiarmenischen Kampagne[28]. Sie gipfelte in dem berüchtigten Pogrom vom 27.- 29. Februar 1988 in Sumgait, einer Industriestadt von ca. 200.000 Einwohnern im Großraum von Baku, darunter ca. 17.000 Armenier. Das Durchschnittsalter der Einwohner lag bei 25 Jahren. 20 Prozent waren vorbestraft, viele mehrfach. Das Pogrom war gleichwohl kein spontaner Gewaltausbruch alkoholisierter Hooligans, wie man der Öffentlichkeit später weis machen wollte, sondern eine von der Parteiführung in Baku vorbereitete und koordinierte Maßnahme[29]. Sie hatte den Zweck, die ca. 500.000 in der Republik (inkl. Berg-Karabach) lebenden Armenier so nachhaltig einzuschüchtern, dass sie ihre Selbstbestimmungsforderung aufgeben würden[30]. Die Kampagne war bereits während der armenischen Petitions- bzw. Unterschriftenaktion von 1987 eingeleitet und vielerorts waren Adressenlisten armenischer Familien zusammengestellt worden. Verschiedentlich hatte man einschlägige Informationen der kommunalen Wohnungsverwaltungen an kriminelle Provokateure weitergegeben. Die Pogromstimmung war durch eine Falschmeldung über azerische Opfer angeblicher armenischer Gewalttaten gezielt angeheizt worden, und zwar erstens über den Tod zweier Azeris bei Askeran, einem von Armeniern bewohnten Ort an der Grenze Berg-Karabachs zum Rayon von Agdam, und zweitens durch Meldungen über die angebliche Vertreibung von Azeris aus Kafan (Kapan), einer Stadt im Südosten der Sowjetrepublik Armenien, hart an der Grenze zu Aserbaidschan.
Der Vorgang von Askeran ist von herausragender Bedeutung, weil er von Aserbaidschan – bis heute – als Hauptursache des Pogroms von Sumgait hingestellt wird. In der Tat sind dort zwei Azeris ums Leben gekommen. Wie es dazu kam, wurde und wird allerdings unterschlagen, obwohl die Umstände von dem Interimsvertreter des Generalstaatsanwalts der UdSSR für Berg-Karabach, Valerij Vasilenko, und dem Publizisten Aleksandr Vasilevskij ermittelt und bald darauf der Öffentlichkeit mitgeteilt worden sind. Sie haben übereinstimmend folgendes festgestellt: Am 22. Februar 1988, also zwei Tage nach dem Beschluss des Gebietssowjets von Karabach, machten sich einige tausend aufgebrachter, mit Knüppeln und Metallstangen bewaffneter Azeris von Agdam aus nach dem etwa 10 km entfernten Askeran auf den Weg, um „den Armeniern eine Lehre zu erteilen“. Dazu kam es nicht, weil sich der Menge am Ortseingang knapp zwei Dutzend Milizverbände des aserbaidschanischen Innenministeriums aus Agdam und Stepanakert entgegenstellten. Bei dem Zusammenstoß wurden ca. 50 Personen verletzt und der Aseri Ali Gadžiev aus Agdam von einem Milizionär erschossen. Dessen Name blieb unbekannt, weil er in einem Wagen der Miliz Agdams sofort den Ort verließ. Über den anderen Toten haben eigenartigerweise weder die Staatsanwaltschaft noch Journalisten Näheres in Erfahrung bringen können. Nach Thomas de Waal hat es sich um „den 16-jährigen Bachtijar Guliev“ gehandelt, aber er scheint den Namen erfunden zu haben. In den Quellen, auf die er sich bezieht, findet sich der Name jedenfalls nicht[31].
Die aserbaidschanischen Medien haben den Vorfall fälschlicherweise so dargestellt, als habe es sich um eine Aktion der Armenier von Askeran gehandelt. Der sich in Baku aufhaltende stellvertretende Generalstaatsanwalt der UdSSR, A. F. Katusev, übernahm ungeprüft die aserbaidschanische Version und verstärkte mit seiner Amtsautorität den Anschein ihrer Glaubhaftigkeit.
Noch mehr von Legenden umwoben ist die Geschichte der 1987/88 angeblich aus Armenien vertriebenen und nach Sumgait verschlagenen Aseris. Obwohl Meldungen aserbaidschanischer Medien über angeblich schon zu dieser Zeit erfolgte Vertreibungen und Flüchtlingsströme aus der Republik Armenien nicht mehr als Gerüchte kolportierten und frei erfunden waren[32], hat sich Thomas de Waal nicht gescheut, jene Falschmeldungen durch Aussagen über eine angebliche Massenflucht von Aseris aus Kafan (Kapan) im November 1987 zu bekräftigen, welche drei von ihm teilweise anonymisierte Interviewpartner 13 Jahre später ihm gegenüber gemacht haben[33]. Es spricht viel dafür, dass es sich bei den in Sumgait eingetroffenen Menschen in Wahrheit um Pogromščiki handelte, die damals in verschiedenen Teilen Aserbaidschans, unter anderem in Agdam, aber möglicherweise auch in Kafan (Kapan) für die „Strafaktion“ in Sumgait angeworben worden waren und für Flüchtlinge ausgegeben wurden[34].
Das Startsignal zu dem Pogrom in Sumgait gab am 27. Februar eine Kundgebung im Zentrum der Stadt mit mehreren tausend Teilnehmern, auf welcher der Stadtparteichef D. M. Muslim-zade eine Brandrede gegen die Armenier hielt und der aufgeputschten Menge die Richtung wies: armenische Wohnungen wurden an den folgenden Tagen geplündert, verwüstet und teilweise angezündet, Dutzende armenischer Mitbürger verprügelt, gefoltert und ermordet. Die Verluste wären weitaus höher gewesen, wenn nicht manche Azeris ihre armenischen Nachbarn geschützt hätten. Die Sicherheitskräfte griffen nicht ein[35]. Hilferufe waren vergeblich; die Miliz sah dem Treiben untätig zu. Ärzte verweigerten Erste Hilfe. Während des Pogroms waren die Zufahrtsstraßen Sumgaits gesperrt. Überlandbusse wurden nach Armeniern durchsucht. Eine von dem Vorsitzenden des Ministerrats Aserbaidschans, G. N. Seidov, geleitete und am 1. März in der Stadt eingetroffene Kommission veranlasste die sofortige Beseitigung aller angerichteten Schäden. Die danach eingeleitete staatsanwaltliche Untersuchung kam für die Spurensicherung zu spät. Das hatte einschneidende Auswirkungen auf die Beweislage in den späteren Strafprozessen vor dem Obersten Gericht der UdSSR gegen einige Mittäter des Pogroms[36].
Das schrecklichste und am tiefsten einschneidende Erlebnis von ´Sumgait` war die Erfahrung der in der Stadt lebenden Armenier, dass weder die staatlichen Ordnungs- und Sicherheitskräfte der Republik Aserbaidschan noch die der Union zu ihrem Schutz eingriffen, sondern sie wie Freiwild einer aufgeputschten, mordlüsternen Menge preisgaben. Es waren exakt jene traumatischen Erfahrungen, die sich spätestens seit dem Völkerword von 1915/16 unauslöschlich in das Gedächtnis und die kollektive Erinnerung des armenischen Volkes eingegraben haben: in einem feindlichen Umfeld wehrlos und schutzlos der Gewalt und Erniedrigung von Seiten einer fremden Macht ausgeliefert zu sein. ´Sumgait` wurde für die gesamte armenische Nation zu einem neuen, weiteren Symbol des Schreckens.
Sumgait ist kein Einzelfall geblieben. Ende 1988 kam es im Zusammenhang mit der aus der Republik Armenien einsetzenden azerischen Ausreise- und Fluchtbewegung zu einer Serie von Pogromen in ganz Aserbaidschan, vor allem in den Städten Baku, Kirovabad, Šemacha, Šamchor und Mingečaur[37]. Sie setzte sich in Baku 1989 fort und führte im Ergebnis dazu, dass gegen Ende des Jahres von den ca. 230.000 ´vor Sumgait` in der Hauptstadt lebenden Armeniern die meisten bis auf etwa 40.000 das Land verlassen hatten. Nach einzelnen antiarmenischen Übergriffen hetzten Brandreden, die insbesondere am 13. Januar 1990 sowohl von dem aserbaidschanischen KP-Chef A. Vezirov als auch von Führern der oppositionellen Volksfront Aserbaidschans gehalten wurden, die azerischen Bürger von Baku zu einem Pogrom gegen die Armenier auf. Es dauerte bis zum 19./ 20. Januar, kostete Dutzenden von ihnen das Leben und besiegelte den Exodus der Armenier aus der Hauptstadt. Ihre geplünderten und verwüsteten Wohnungen gingen, wie versprochen, in den Besitz aserbaidschanischer Flüchtlinge aus Armenien über.
Ebenso wenig wie in Sumgait griffen die aserbaidschanischen Sicherheitskräfte zum Schutz der armenischen und der ebenfalls betroffenen russischen Minderheit ein. Auch die eingeflogenen Militäreinheiten der Union blieben passiv. Erst am 20. Januar, als die völlige Entmachtung der aserbaidschanischen KP und die Machtübernahme durch die Volksfront drohten, besetzten sie die Stadt und erstickten den Aufruhr im Blut[38]. Bezogen wohl nicht allein auf Baku stellt de Waal lakonisch fest[39]: “Die Ereignisse vom Januar 1990 vernichteten jede Möglichkeit eines friedlichen Zusammenlebens von Armeniern und Aserbaidschanern.“
Die 1988 bis 1990 gegen die armenische Minderheit im Lande verübten Pogrome werfen insgesamt[40] einen langen Schatten auf den Anspruch Aserbaidschans, das als multinationale Unionsrepublik territorial definierte Selbstbestimmungsrecht[41] mit Wirkung und in Verantwortung auch für die anderen Nationalitäten und namentlich die Armenier Berg-Karabachs auszuüben. Die unmittelbare politische und administrative Verantwortung der Regierung in Baku für diese Untaten und Verbrechen legt den Schluss nahe, dass Aserbaidschan sein eventuelles Recht auf Jurisdiktion über die Armenier Berg-Karabachs verwirkt hat, denn die Pogrome richteten sich vor allem gegen deren Anspruch auf Selbstbestimmung.
Es entlastet die Republik Aserbaidschan nicht und kann auch nicht die von ihr zu verantwortende Gewaltanwendung rechtfertigen, dass der Konflikt mit den Armeniern um Berg-Karabach zu einem bestimmenden Faktor und Katalysator in dem sich lange hinziehenden und insgesamt späten Nationsbildungsprozess der Aserbaidschaner geworden ist[42]. Im Gegenteil. Diese Tatsache spricht entschieden für eine getrennte Existenz beider Nationen in zwei Staaten.
8. Schlussfolgerungen
Die These, dass die Forderung nationaler Selbstbestimmung von Seiten der Armenier Berg-Karabachs moralisch und politisch in hohem Maße legitim ist, kann sich zusammenfassend festgestellt, auf folgende Argumente stützen:
(1) Die Armenier Berg-Karabachs sind Teil eines Volkes, das im Osmanischen Reich Opfer eines Völkermordes wurde und nur durch ihre Flucht in die angestammten armenischen Siedlungsgebiete im Südkaukasus als Nation überleben konnte. Ihre Traumatisierung unter türkischer Fremdherrschaft verleiht dem Wunsch der im Südkaukasus kompakt wohnenden Armenier, sich in einem eigenen Staat selbst zu regieren, besondere Kraft: sie wollen gegen ethno-nationale Diskriminierung, Verfolgung und Vernichtung ein für alle Mal geschützt sein.
(2) Die Chance, das durch das erlittene Schicksal zusätzlich begründete nationale Selbstbestimmungsrecht zu verwirklichen, bot sich unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg. Ihre Realisierung verhinderte 1921 die Führung der Kommunistischen Partei Russlands (Bolschewiki). Das geschah durch die Entscheidung, das im Südkaukasus lebende armenische Volk auf drei Verwaltungsgebiete aufzugliedern: die Sowjetrepublik Armenien als Staat sowie Nachitschewan und Berg-Karabach als Autonomien im Republikverband Aserbaidschans. Keiner anderen Nation hat die KP-Führung Russlands bzw. der Sowjetunion eine solche Entscheidung zugemutet. Sie widersprach krass einem der Grundprinzipien der Russischen Revolution, dem Selbstbestimmungsrecht der Völker.
(3) Die maßgebend von Stalin bewirkte Entscheidung des Kaukasus-Büros der RKP(b) vom 5. Juli 1921, Berg-Karabach der Sowjetrepublik Aserbaidschan zuzuschlagen, kann keine Legitimität beanspruchen, auch wenn sie bis zum Ende der Sowjetunion nicht revidiert wurde: Erstens wurde sie von einem Parteiorgan getroffen, das keine demokratische Legitimation besaß, sondern sich nur auf die Macht der im Kaukasus siegreichen Roten Armee stützen konnte. Zweitens wurde die betroffene Bevölkerung nicht gefragt. Drittens war die Entscheidung willkürlich, weil sie offensichtlich dem nationalen Selbstbestimmungsrecht widersprach, denn Aserbaidschan konnte nicht beanspruchen, dass das fast ausschließlich von Armeniern bewohnte Berg-Karabach von der angrenzenden Sowjetrepublik Armenien abgetrennt wurde.
(4) Die Armenier Berg-Karabachs und der Republik Armenien haben die Entscheidung niemals akzeptiert, sondern während der gesamten Sowjetepoche unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht der UdSSR-Verfassung kontinuierlich, teils durch Eingaben ihrer Repräsentanten, teils durch Massenpetitionen gefordert, die Vereinigung Berg-Karabachs mit der Republik Armenien zu beschließen. Sie haben durch dieses Verhalten den festen Willen zur Einheit und zur Selbstbestimmung ihrer Nation politisch überzeugend, wenngleich ohne Erfolg, bekundet und konnten sich dabei moralisch im Recht fühlen.
(5) Als es die freiheitlichen Verhältnisse während der Reformperiode der Perestrojka zuließen, haben die Bevölkerung und die Organe des Autonomen Gebiets Berg-Karabach mit erdrückender, demokratisch legitimierter Mehrheit versucht, die Vereinigung mit der Sowjetrepublik Armenien friedlich, über das sowjetische Staatsrecht zu erreichen. Dass sie damit keinen Erfolg hatten, sprach nicht gegen das Selbstbestimmungsrecht, sondern dafür, dass die UdSSR dem Selbstbestimmungsrecht der Armenier keinen Vorrang vor anderen politischen Interessen einräumen wollte.
(6) Aserbaidschan hat auf die demokratisch beschlossene Einforderung des Selbstbestimmungsrechts in Form der Vereinigung Berg-Karabachs mit der Republik Armenien mit Gewaltmaßnahmen reagiert. Dem von ihrer Führung veranlassten bzw. zugelassenen Pogrom von Sumgait war die Funktion eines Exempels zugedacht, die Armenier Berg-Karabachs und der Republik Armenien ein für alle Mal von ihrer Selbstbestimmungsforderung abzubringen. ´Sumgait` stellte die Armenier Berg-Karabachs symbolisch vor die Alternative von gehorsamer Unterwerfung oder willkürlicher brutaler ´Bestrafung`. Das Pogrom aktualisierte die traumatische Erfahrung der armenischen Nation und seine Erinnerung daran. Es lieferte konkludent den Beweis für die Richtigkeit des Beschlusses des Gebietssowjets Berg-Karabachs vom 20. Februar 1988 über den Wunsch zur Vereinigung mit der Republik Armenien, nämlich dass die Karabach-Armenier Schutz und Sicherheit letztlich nur in einem eigenen Staat genießen können.
[1] Zum Wandel der Nationalitäten-Politik unter Stalin grundlegend Simon, Gerhard: Nationalismus und Nationalitäten-Politik in der Sowjetunion. Von der totalitären Diktatur zur nachstalinschen Gesellschaft, Baden-Baden 1986, S. 153 ff.
[2] Für die 1930er Jahre: Baberowski, Der Feind ist überall (Anm. 24), S. 806. Zum folgenden siehe: Panzer gegen Perestrojka. Dokumentation zum Konflikt in und um „Arzach“ („Karabach“), Bremen 1989, S. 20 ff. (Tessa Hofmann); Zoljan, Suren: Nagornyj Karabach. Problema i konflikt, Erevan 2001; Asenbauer, Haig E.: Zum Selbstbestimmungsrecht des armenischen Volkes von Berg-Karabach, Wien 1993, S. 75 ff.; de Waal, Thomas: Černyj sad. Armenija i Azerbajdžan meždu mirom i vojnoj, Moskau 2005, S. 29 ff.; Originalausgabe: Black Garden. Armenia and Azerbaijan through Peace and War, New York/ London 2003. Ein Vorzug des Buches ist, dass der Verfasser auch den Ereignisauflauf in Aserbaidschan einbezieht. Gleichwohl aber leidet die Übersichtlichkeit seiner Darstellung darunter, dass wesentliche Wirkungszusammenhänge auseinandergerissen werden, ihre Seriosität darunter, dass nicht selten kritiklos Gerüchte und subjektive Einschätzungen von Interviewpartnern leichtfertig in den Rang objektiver Tatsachen erhoben werden, und schließlich die Überzeugungskraft der Urteile des Verfassers darunter, dass er ohne eigene klare Standpunkte in wichtigen Sach- und Wertungsfragen zwar der Linie einer Äquidistanz zu den Konfliktparteien zu folgen scheint, tatsächlich aber durch Fehlurteile sowie durch Relativierung, Isolierung und Bagatellisierung wichtiger Vorgänge — etwas verschleiert — aserbaidschanische Standpunkte favorisiert und transportiert.
[3] De Waal, Černyj sad (Anm. 53), S. 36. Unrichtig ist seine Behauptung, die Karabach-Armenier hätten sich mit ihren Anliegen niemals an die aserbaidschanische Regierung gewandt.
[4] Für die Zeit der Entstalinisierung siehe Gasanly, Džamil´: Chruščevskaja „ottepel´“ i nacional´nyj vopros v Azerbajdžane (1954-1959), Moskau 2009, passim.
[5] Siehe dazu die Dokumentation Abchazija v sovetskuju ėpochu. Abchazskie pis´ma (1947-1949). Sbornik dokumentov. Tom 1, Akua (Suchum) 1994.
[6]Text der Eingabe: Partijnyj Archiv Armjanskogo Filiala-Institut Marksizma-Leninizma / PAAF-IML/, f. 1, op. 25, d. 42; zit. nach Grant, Armjanskij vopros [Anm. 34], S. 38).
[7] Zum ganzen ausführlich (mit Nachweisen) Imranly, Kjarmalja: Sozdanie armjanskogo gosudarstva na kavkaze. Istoki i posledstvija, Moskau 2006, S. 174ff.
[8] Texte der Briefe http://www.golos.am/index.php?option=com_content&task=view&id=30017&Itemid=41. Der Katholikos, der aus der armenischen Gemeinde von Bukarest stammte, also“ Repatriant“ war, bezog auch die Autonome Republik Nachitschewan und ferner den – damals wie heute – zu über 90% von Armeniern bewohnten Rayon Achalkalaki Georgiens ein.
[9] Siehe dazu das Werk von Gasanly, Džamil´: Chruščevskaja „ottepel´“ i nacional´nyj vopros v Azerbajdžane (1954-1959), S. Moskau 2009,
[10] Zu dem Komplex Aliev, I. I.: Ėtničeskie repressii, Moskau 2009; speziell zur Umsiedlung bzw. Deportation von Aserbaidschanern und Armeniern und zur Frage ihrer Rückkehr, die für die in den Altaj verfrachteten Armenier (Daschnaken“) und die aus Armenien nach Aserbaidschan umgesiedelten 100.000 Aserbaidschaner entschieden wurde, siehe Barsegov, Jurij: Lož´ na službe ėkspancionizma i genocida, in: Armjanskij vestnik 1998, Nr. ¾, S. 123-139 (138); Gasanly, a. a. O., S. 24 ff.; 370 ff.
[11] A. a. O. S. 100/101.
[12] Dazu jetzt Verigin, Sergej: Istorija sozdanija i uprazdnenija Karelo-Finskoj SSR, in: Federalizm 2009, Nr. 4, S. 147-160.
[13] Text: Panzer gegen Perestrojka (Anm. 53), S. 49-53; Libaridian, Gérard J. (Red.): Le Dossier Karabagh. Faits er Documents sur la Question du Haut-Karabagh 1918-1988, Paris/ Cambridge/Toronto 1988, S. 37-41; Zoljan, Suren: Nagornyj Karabach. Problema i konflikt, Erevan 2001, S. 46f. Die Datumsangaben der Eingabe in der Literatur widersprechen einander. Jedenfalls begann die Unterschriftensammlung 1962, d. h. auf dem Höhepunkt der Entstaliniserung Chruščevs. Vgl. Panzer gegen Perestrojka (Anm. 53), S. 49.
[14] Zoljan, Nagornyj Karabach, a. a. O.S. 47.
[15] Zoljan, Nagornyj Karabach (Anm. 64), S. 47.
[16] Siehe dazu den Text eines Referates von A. D. Sacharov in: Ogonëk 1989, Nr. 31.
[17] Text: Libaridian, Le Dossier Karabagh (Anm. 64) S. 79-81. De Waal neigt auf Grund seiner Interview-Methode dazu, die Petitionsbewegung von 1986/87 als Produkt generalstabsmäßiger Wühlarbeit einer kleinen Gruppe um (den von ihm befragten) Igor´ Muradjan, einen in Erevan arbeitenden Karabach-Armenier, hinzustellen. (Černyj sa, Anm. 53, S. 36 ff.) Leider unkritisch übernommen, entsteht daraus bei Krüger das schlichte Bild einer von einigen Erevaner Drahtziehern manipulierten Massenbewegung. Vgl. Der Berg-Karabach-Konflikt (Anm. 45), S. 100 f.
[18] Siehe zum folgenden auch den knappen Überblick des Verfassers: Das Recht Berg-Karabaghs (Anm. 28), S. 42-46.
[19] Entstehung und Ablauf des Konflikts sind in ungezählten Publikationen dargestellt worden. Hier sei nur verwiesen auf die oben in Anm. 40 angegebene Literatur sowie aus jener Zeit selbst Arutunjan, V.B.: Sobytija v Nagornom Karabache. Chronika. Čast´ I (Fev.1988 — Jan.1989), Erevan 1990.
[20] Zu Bobkov siehe von Borcke, Astrid: Unsichtbare Weltmacht KGB, Neuhausen-Stuttgart 1989, S. 189. Bobkov widmete dem Karabach-Komplex in seinen 1995 in Moskau erschienenen, locker-journalistisch geschriebenen Erinnerungen („KGB i vlast´“) ein Dutzend Seiten (S. 284-299). Sie stellen eine meisterhafte Kollage aus verschiedensten, teilweise widersprüchlichen Elementen dar. Einerseits wird (scheinbar) ein tiefes, sensibles Verständnis für das armenische Volk und sein Schicksal bekundet und der sowjetischen Führung viele Fehler und Versäumnisse – entgegen allen KGB-Warnungen — angelastet, andererseits die Schuld am Karabach-Konflikt und seiner Eskalation teils armenischen Nationalisten jeder Couleur, von Erevaner Parteifunktionären mit Appetit auf Karabach, über intellektuelle Kulturchauvinisten und Daschnaken bis hin zu Terrorgruppen im Untergrund, sowie ihren teils naiven (Andrej Sacharov), teils berechnenden (KP-Chef Demirčjan), teils undurchsichtig-hilflosen Sympathisanten (Michail Gorbačev) angelastet. Das aserbaidschanische Volk dagegen erscheint als ohnmächtiges Opfer, friedlich eingestellt und verständigungsbereit, dem aber, aus begreiflicher Wut, ´mal die Sicherungen durchbrannten (Sumgait), während seine Führung sich maßvoll, verantwortungsbewusst und vernünftig verhielt.
[21] Von den 10 Abgeordneten, mit denen das Autonome Gebiet im Obersten Sowjet vertreten war, trug nur der azerische Abgeordnete den Beschluss mit; die neun armenischen Vertreter aus Karabach hatten die Sitzung boykottiert. Die weiteren 17 Abgeordneten armenischer Nationalität aus Baku und dem übrigen Aserbaidschan stimmten geschlossen mit den aserischen Kollegen gegen den Antrag des Gebietssowjets.
[22] Vedomosti Verchovnogo Soveta SSSR 1988, Nr. 29, Pos. 464. Zu den vorausgegangenen Diskussionen im Politbüro siehe den Abschnitt über Berg-Karabach in Gorbatschows Erinnerungen (Anm. 44), S. 484 ff. Gorbatschow spricht von drei damals diskutierten Lösungsvorschlägen des Problems: (1) Die Revolte mit Gewalt im Keim ersticken; (2) Karabach zur Autonomen Republik erheben und — symmetrisch zu Nachičevan – mit der Sowjetrepublik Armenien vereinigen; (3) Unterstellung Karabachs unter Sonderverwaltung der Union (S. 491). Man entschied sich für Letzteres. Noch in den 1950er Jahren hatte die Partei- und Staatsführung keine Bedenken, Autonome Republiken in eine andere Unionsrepublik einzugliedern (Krim, 19.2.1954 an die Ukraine) und eine Unionsrepublik überhaupt aufzulösen (Finno-Karelien, 16.7. 1956 als Autonome Republik an die RSFSR). Dazu jetzt Verigin, Sergej: Istorija sozdanija i uprazdnenija Karelo-Finskoj SSR, in: Federalizm 2009, Nr. 4, S. 147-160.
[23] Beschluss vom 20.10.1988, Text: VVS SSSR 1989, Nr. 20, Pos. 374.
[24] Ausführlich und luzide zu diesem Komplex Zoljan, Nagornyj Karabach (Anm. 64), S. 59ff.
[25] Beschluss des Obersten Sowjets der Armenischen SSR vom 17.9.1989, Text: VVS Arm. SSR 1989, Nr. 18, Pos.106.
[26] VVS SSSR 1989, Nr. 25, Pos. 494.
[27] Auf die politischen Entwicklungen in den beiden Republiken kann hier nicht eingegangen werden. Siehe dazu für Armenien: Manutscharjan, Aschot: Die politische Entwicklung in Armenien (1988-1994), in: Meissner, Boris/ Eisfeld, Alfred (Hrsg.): Die GUS-Staaten in Europa und Asien, Baden-Baden 1995, S. 125 – 152; für Aserbaidschan: Morgenthaler, Gerd/ Heuser, Christian: Die Verfassung der Republik Aserbaidschan. Entwicklungslinien und Perspektiven, in: ZaöRV Band 69 (2009),S. 365-396 (370 ff.); Auch, Eva-Maria: „Ewiges Feuer“ in Aserbaidschan. Ein Land zwischen Perestrojka, Bürgerkrieg und Unabhängigkeit, Berichte des BIOst (Köln) 1992, Nr. 8; dieselbe: Aserbaidschan: Regierungsinstitutionen – politisches System, in: Mangott, Gerhard (Hrsg.): Brennpunkt Südkaukasus, Wien 1999, S. 61-104; Mitjaev, V. G.: Vnutripolitičeskoe razvitie nezavisimogo Azerbajdžana v svete ego geopolitičeskogo položenija, in: Kožokin, E.M. (Red.): Nezavisimyj Azerbajdžan: Novye orientiry. Tom 1, Moskau 2000, S. 11 – 179.
[28] Ein grelles Schlaglicht auf die Virulenz antiarmenischer Einstellungen lokaler aserischer Apparatschiki warf der Vorfall von Čardochlu , einem armenischen, nordwestlich von Karabach im Rayon Šamchor gelegenen Dorf. Weltkriegsteilnehmern war es als Heimat der beiden in hohen Ehren stehenden „Marschälle der Sowjetunion“, Ovanes Chačaturovič Bagramjan und Amazasp Chačaturovič Babadžanjan bekannt. (zu ihnen Aršak Virabjan: Znamentitye Arcachcy I, Erevan 1992, S. 52ff; 77 ff.) Anfang Dezember 1987 ging der Rayon-Parteichef, M. Asadov, mit brutaler Gewalt gegen die Einwohner vor, um nach monatelangen vergeblichen Versuchen den erfolgreichen Chef des Sovchoz, S. A. Egijan, doch noch durch eine ihm persönlich ergebene Kreatur zu ersetzen. Den Dorfbewohnern riet er, nach Armenien „abzuhauen“. Reportage des Izvestija-Korrespondenten Aleksandr Bekker, abgedruckt in der Zeitung Sel´skaja žizn´ (Moskau) vom 24.12.1987. Zu dem ganzen Komplex mit Materialien: http://sumgait.info/caucasus-conflicts/chardakhlu-letters.htm.
[29] Das hatten auch Gorbačev und das Politbüro klar erkannt. Vgl. das Protokoll der Politbürositzung vom 29.2.1988, Text: http://sumgait.info/sumgait/politburo-meeting-29-february-1988.htm.
[30] Siehe dazu die überzeugende Analyse von Suren Zoljan, in: Sumgait…genocid…glasnost´? Erevan 1990, S. 5-9; ferner jüngst Melik-Šachnazarov, Arsen: Nagornyj Karabach. Fakty protiv lži, Moskau 2009, S. 262-304;
[31] Vgl. Černyj sad (Anm. 53), S. 391 Anm. 11. Weder Vasilevskij noch Bobkov nennt einen Namen. Bobkovs Darstellung (KGB i vlast´- Anm. 71, S. 295/296) verrät den erfahrenen Tschekisten, der durch Andeutungen und Wertungen, gemischt mit scheinbar präzisen Details, die gewünschte Schlussfolgerung suggeriert: “Wiederum kann man darüber streiten, wer der erste war, wer sich wie verhalten hat und wer mehr Schuld hatte, die aserbaidschanische oder armenische Seite. Aber eine Tatsache bleibt eine Tatsache: die ersten Opfer wurden Aserbaidschaner: am 22. Februar 1988 wurden im Rayon Askeran zwei von ihnen getötet: ein Winzer und ein Knabe, der den Verdacht auf einen armenischen Schützen lenkte (mal´číška, kotoryj pokazalsja podozritel´nym armjanskomu strelku). Zur Ehre der aserbaidschanischen Führer und Volkes der Republik haben sie (?!?) versucht die Emotionen zurückzuhalten, und den Mord nicht an die große Glocke gehängt.“ De Waal macht daraus:“Bobkov schreibt, dass Bachtijar Guliev von einem Armenier niedergeschossen wurde.“ (A. a. O.)
[32] Azeris begannen erst ab Herbst 1988 aus der Republik Armenien zu fliehen. Unmittelbare Auslöser waren von Armeniern verübte Pogrome in der Nordprovinz (Mars) Gugark, bei denen 20 Azeris ermordet wurden. So der KGB-Chef Armeniens, Usik S. Arutunjan, in einem Interview vom März 1991; Text: Ėkspress-Chronika 1991, Nr. 16 (16.4.).
[33] De Waal, Černyj sad (Anm. 53), S. 40 f. Die Aussagen sind schon in sich nicht schlüssig, de Waals Entscheidung, sie gleichwohl kritiklos wiederzugeben, daher, milde ausgedrückt, befremdlich. Dem Auftreten der angeblichen Flüchtlinge aus Kafan weist Bobkov eine Schlüsselbedeutung für die „Ereignisse in Sumgait“ zu (siehe Anm. 73, S. 292). Vielleicht wird die Welt später einmal erfahren, welche Rolle eigentlich der KGB in dem ganzen Geschehen gespielt hat. Er erscheint als solcher bei Bobkov seltsam unbeteiligt, wie ein früh und ehrlich warnender, aber –leider, leider – immer unverstandener Beobachter.
[34] Dafür spricht jedenfalls die Darstellung des Pogroms, die G. B. Ulubabajan auf einer Konferenz über „Sumgait“ am 23.9.1989 in Erevan geliefert hat. Siehe Sumgait (Anm. 81), S. 20 ff. Ferner die Recherche von Voevodskij, Konstantin: Perestrojka v kavkazskom zerkale, in: Pro Armenija 1993, Nr. 1. Keinen Beleg liefert Eva-Maria Auch für ihre Version: “Ende Februar 1988: Flüchtlinge aus Karabach treffen in der Chemiearbeiterstadt Sumgait bei Baku ein und berichten von blutigen Ausschreitungen in der umstrittenen Region. Als über einen Bakuer Sender die Nachricht verbreitet wird, dass dabei zwei Personen getötet wurden, setzt in Sumgait (…) ein Pogrom ein.“ Siehe „Ewiges Feuer“ (Anm. 78), S. 6.
[35] Kein anderer als Gorbačev hat auf der Politbürositzung vom 29. Februar aus diesem Umstand die (in der Tat unabweisbare) Schlussfolgerung gezogen, dass das Pogrom mit dem Einverständnis der aserbaidschanischen Führung stattfand. Dann ist es allerdings schwer vorstellbar, dass der KGB in Moskau nichts davon gewusst haben soll!
[36] Reportage zum Prozess gegen 3 mutmaßliche Täter (18.10.-18.11.1988) von Inessa Burkova, in: Sovetskij Karabach vom 23.11.1988, Nachdruck in: Glazami nezavisimych nabljudatelej: Nagornyj Karabach i vokrug nego…Sbornik materialov, Erevan 1990, S. 78-83; Protokolle von Zeugenaussagen, zusammengestellt von Kremneva, Nadežda: Davajte dumat´, davajte dejstvovat´, in: Moskovskij Komsomolec vom 17.11.1988.
[37] Zum folgenden ausführlich Melik-Šachnazarov, Nagornyj Karabach (Anm. 81), S. 462 ff. (mit weiteren Nachweisen).
[38] Siehe Auch, Aserbaidschan: Regierungsinstitutionen (Anm. 78), S. 64; aus aserischer Sicht: Agaev, Rasim/ Zardušt, Ali-zade: Azerbajdžan. Konec vtoroj republiki (1988-1993), Moskau 2006, S. 469 ff.
[39] Černyj sad (Anm. 53), S. 145.
[40] Siehe dazu den Beschluss des Obersten Sowjets der Armenischen SSR vom 13.2.1990 (Nr. 1734-XI) „über die Mordtaten, Pogrome und sonstigen Untaten, die im Januar 1990 in Baku und anderen Ortschaften der Aserbaidschanischen SSR verübt wurden, und die dadurch in der Region eingetretene noch größere Verschärfung“.
[41] Zu diesem Rechtsproblem Simmler, Christine: Das uti possidetis-Prinzip. Zur Grenzziehung zwischen neu entstehenden Staaten, Berlin 1999; dieselbe: Selbstbestimmungsrecht der Völker contra uti possidetis?, in: Verfassung und Recht in Übersee (VRÜ), Band 32 (1999), S. 210 – 235.
[42] Dazu Auch, „Ewiges Feuer“ in Aserbaidschan (Anm. 78), S. 31 ff.; Dehdashti/ Jacoby, Krieg um Berg-Karabach (Anm. 1), S. 317; grundlegend in historischer Dimension: Auch, Eva-Maria: Muslim – Untertan — Bürger. Identitätswandel in gesellschaftlichen Transformationsprozessen der muslimischen Ostprovinzen Südkaukasiens (Ende 18.- Anfang 20. Jahrhundert), Wiesbaden 2004, S. 440 ff..
Prof. Dr. Otto Luchterhand, geboren 1943 in Celle (bei Hannover); Studium der Rechtswissenschaften, Slawistik und Osteuropäischen Geschichte; Promotion und Habilitation an der Universität Köln; venia legendi für Öffentliches Recht, Osteuropäisches Recht und Kirchenrecht; seit 1991 Professor an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg und dort bis 2008 Direktor der Abteilung für Ostrechtsforschung; ca. 200 Publikationen (ohne Rezensionen), davon ca. 20 Monographien. Sie befassen sich schwerpunktmäßig mit Fragen der Menschenrechte, der Bürgerrechte und der Grundpflichten im nationalen Recht und im Völkerrecht, mit der Religionsfreiheit und dem Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften, mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, dem Status nationaler Minderheiten und Problemen des Föderalismus. Rechtsberatung für die Bundesregierung Deutschlands seit 1992 im gesamten postkommunistischen Raum Europas.
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